Daniel Müller Jansen

lebt und arbeitet in Köln

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Architektonische Ensembles in Südafrika Jahrzehnte nach dem Ende der Apartheid: Daniel Müller Jansen stellt die Gated Communities der wohlhabenden, vorwiegend weißen Bevölkerung den Sozialwohnungsprojekten der schwarzen Bevölkerung gegenüber. Die Unterschiede zwischen diesen beiden Milieus wurden durch ein einheitliches Verfahren der Überbelichtung und Nachbearbeitung neutralisiert.

 

Interview zwischen der Galeristin Esther Niebel und Daniel Müller Jansen über Südafrika und seine beiden Serien „there is me & there is you" und „Overexposed"
(Horand Knaup, Der Spiegel, 29. Dezember 2008)

 

Esther Niebel:
Was waren deine Beobachtungen 2008, als du die ersten Aufnahmen zu deiner Serie „there is me & there is you“ gemacht hast? Was war dein Ansatz, dich dieser Beobachtung fotografisch zu nähern?

Daniel Müller Jansen:
Bereits auf dem Weg vom Flughafen in die City von Kapstadt eröffnete sich mir eine zweigeteilte Welt: Auf der einen Seite entlang der Autobahn reihten sich Gated Communites wie pastellfarbene Perlen an einer Kette, auf der anderen Seite befand sich dagegen eine Mischung aus Townships und sozialem Wohnungsbau. Der Kontrast war verstörend und hätte größer nicht sein können! Wenn es eine Schere zwischen Reich und Arm gibt, so dachte ich, dann entspricht diese Straße genau diesem Sinnbild.
In meiner ersten Südafrika Serie namens „there is me & there is you“ stelle ich genau diese beiden Enden einer Ghettoisierung gegenüber – die Gated Communities der wohlhabenden, vorwiegend weißen Bevölkerungsschicht auf der einen Seite und die Sozialbauten der Schwarzen in den Housing Projects auf der anderen. Mein Ziel war es reine Architektur-Bilder zu erschaffen, die das beobachtete Phänomen soziologisch, politisch und auch ästhetisch erfassen. Meine wichtigste Erkenntnis bei dieser Arbeit: Architekturen sind Verpackungen einer Gesellschaft und ihrer Haltung. Und als solche habe ich diese Siedlungen in meinen Fotografien herausgearbeitet. Die Serie ist demnach ein Gesellschaftsportrait, das keine Einzelschicksale zeigt, sondern lediglich die Orte und Architekturen, die von Menschen für Menschen erdacht und erbaut wurden.

 

Esther Niebel:
Du hast deine Serie bis heute weitergeführt, was hat sich deiner Meinung nach in Bezug auf das Phänomen Gated Communities verändert?

Daniel Müller Jansen:
Gated Communities stellen für die Wohlhabenden den kaufbaren Traum einer geordneten und sicheren Lebenswelt dar. Aber sie sind auch als Parallelwelten zu bezeichnen, in denen sich eine neue Form der Segregation manifestiert. Längst sind Gated Communities in Südafrika ein Massenphänomen, weshalb ich diese in meiner zweiten Serie „Overexposed“ erneut in den Fokus rücke.
„Overexposed“ zeigt die Gated Communities als vermeintliche Paradiese und Orte der Realitätsflucht im Inneren, die jedoch von außen betrachtet eher einer modernen Trotzburg ähneln. Bis zu drei Meter hohe Mauern, Elektrodraht, Kameras, Schranken und bewachte Zugänge schützen einen Teil der Gesellschaft, der sich im Inneren der Communities jedoch diversen Vorschriften und Regeln unterwirft. Die Serie „Overexposed“ spielt mit diesem Innen und Außen – und zeigt Orte von Gemeinschaft und zeitgleicher Abgrenzung. Es ist doch so: Je mehr ein Teil der Gesellschaft versucht sich durch hohe Mauern und Zäune zu schützen, desto augenscheinlicher werden die Bedürfnisse und Ängste dieser Menschen – der Titel „Overexposed“ und die übertriebene Ästhetik meiner Arbeiten sind eine Anspielung auf diesen Zustand und beleuchten im doppelten Sinne die gezeigten Architekturen sowie die Haltung ihrer Bewohner.

 

Esther Niebel:
Lange Belichtung spielt in deinen Südafrika Serien „there is me & there is you“ und „Overexposed“ als künstlerisches Mittel eine große Rolle, worauf der Titel ja auch hindeutet. Die Aufnahmen bekommen dadurch etwas Malerisch-Surreales. Worauf spielst du damit an?

Daniel Müller Jansen:
Als Inspiration für meine Südafrika-Serien diente die Malerei des Manierismus. Die Leuchtkraft und Farbigkeit manieristischer Gemälde, sowie die übertriebenen Gesten und Manieren in diesen Bildern haben mich seit meinem Studium fasziniert. In meinen Südafrika-Serien nutze ich die Möglichkeiten einer gezielten Überbelichtung anlogen Filmmaterials, um eine vergleichbare Leuchtkraft und Farbigkeit zu erreichen. Hierdurch werden sowohl die Künstlichkeit und Modellhaftigkeit der gezeigten Architekturen betont, als auch die Haltung und Manieren ihrer Bewohner. Auch meine Bilder haben etwas Manieristisches und zeigen eine Gesellschaft, in der Manieren nicht nur etwas mit Anstand und Sitte zu tun haben, sondern auch mit Abgrenzung.

 

Esther Niebel:
Siehst du deine Arbeiten rein künstlerisch oder haben sie auch eine politische Dimension?

Daniel Müller Jansen:
Meine Fotografien haben eine malerische Qualität und visuelle Kraft gepaart mit einer sozialkritischen Ebene. Durch diesen Wiederspruch werden meine Fotografien als anziehend und abstoßend zugleich empfunden. Zunächst wird der Betrachter durch die besondere Ästhetik und die pastellige Farbigkeit angezogen – auf den zweiten Blick werfen die Fotografien jedoch Fragen über die Hintergründe der gezeigten Architekturen auf. Und so verhält es sich auch mit den Architekturen in der südafrikanischen Realität. Auch diese können auf den ersten Blick als schön wahrgenommen werden und suggerieren eine verbesserte Lebensqualität. Aber zu welchem Preis? In welche Richtung entwickelt sich die südafrikanische Gesellschaft? In welcher Welt wollen wir eigentlich leben?

 

Esther Niebel:
Meinst du, dass deine vor mittlerweile acht Jahren begonnen Serien über Gated Communities in Südafrika Vorboten eines sich weltweit zunehmend manifestierenden Phänomens sind? Warum?

Daniel Müller Jansen:
Gated Communities gibt es bereits überall auf der Welt. Häufiger in Ländern und Städten, in denen die Ungleichverteilung zwischen Reich und Arm besonders ausgeprägt ist. Von Mexico City bis Rio de Janeiro und von Moskau bis Dubai. Je weiter die Globalisierung voranschreitet, desto stärker wird das Bedürfnis nach kleineren sowie ordnenden Strukturen und Gemeinschaften – Gated Communities stellen eine Art von Mikrokosmos dar, der genau diesem Bedürfnis entspricht.
Aber, und das macht das Thema in Bezug auf Südafrika besonders heikel, Gated Communities können als eine neue Form der Trennung verstanden werden: Wo früher, zur Zeit der Apartheid, Schwarz und Weiß getrennt wurden, sind es heute Arm und Reich. Auf Hilfe angewiesen sind vorwiegend die Schwarzen in den Townships und Housing Projects, der Reichtum verteilt sich dagegen vorwiegend bei der weißen Bevölkerungsschicht. Möglicherweise ist dieser Zustand eine Zeitbombe! Trotz gemeinsamer Zukunftswünsche in der südafrikanischen Gesellschaft, stellt die Verbesserung der tatsächlichen Verhältnisse, sowie der Unabhängigkeit und Chancengleichheit eine gewaltige gesellschaftliche und politische Herausforderung dar!

 

Esther Niebel:
Wirst du weiter an den Serien arbeiten? Haben die Serien eine prozessuale Komponente, wenn ja wo liegen diese?

Daniel Müller Jansen:
Die Serie „Overexposed“ ist für mich noch nicht abgeschlossen und eine weitere Serie über neue Siedlungsformen in Südafrika ist in Planung. In diesem Sinne gibt es eine prozessuale Komponente, da mich das Themengebiet seit 2008 einfach nicht mehr los lässt. Das war übrigens das gleiche Jahr, in dem das sehr politische Album „there's Me and there's You“ des Elektromusikers Matthew Herbert erschien, das mich durch seine Stimmung und Konzeption stark beeinflusste. „there is me & there is you“, nannte ich daher leicht abgewandelt auch meine erste Südafrika Serie, um auf direkte und unelegante Weise auf eine Distanz bzw. Trennlinie hinzuweisen. So lange es diese Trennlinie in der südafrikanischen Gesellschaft gibt, solange kann ich mich an diesem Thema abarbeiten. Voraussichtlich ein langer Prozess, denn auch bis 2015 haben sich folgende Punkte in Südafrika nicht verbessert:
Kaum irgendwo auf der Welt ist der Unterschied zwischen Arm und Reich größer als in Südafrika. Mehr als 18.000 Morde jährlich sichern in den entsprechenden Rankings einen zuverlässigen Spitzenplatz. »Killing field« nennt sogar der Sicherheitsminister sein Land. Die inoffizielle Arbeitslosigkeit rangiert bei über 30 Prozent, die Lebenserwartung liegt bei 49 Jahren, deutlich unter dem gesamtafrikanischen Durchschnitt. Die HIV-Verbreitung liegt weit darüber.


Biographie

1978
geboren in Düren
2007
Internship at GEO Magazine, Gruner&Jahr, Hamburg
2004-09 Studies of Photography with Prof. Peter Bialobrzeski, Wolfgang Zurborn and Prof. Michael Glasmeier at University of the Arts Bremen, Germany
2009 Degree in Photography with Prof. Peter Bialobrzeski at University of the Arts Bremen, Germany
2009-10 Professionals in the Arts founder lab at University of the Arts Bremen, Germany
2010 House of Photography, Deichtorhallen Hamburg (First Prize: Best Portfolio)
Bridges Fotoproject Emscher Future (Award winner)
2011 Grant for the exhibition and book project Kill Your Darlings, Senator für Kultur Bremen
2012 The second International Street Photography Award London (Selected Finalist), London Festival of Photography
2013 European Architectural Photography Prize (Commendation)
2017 European Architectural Photography Prize (Commendation)
2019 European Architectural Photography Prize (Highly Recommended)
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Ausgewählte Einzel- und Gruppenausstellungen

2022
Galerie Biesenbach, Köln (online, E)
2021
The Grass Is Greener Gallery, Leipzig (E)
Deutsche Werkstätten Hellerau, Dresden (G)
Zentrum Baukultur Rheinland-Pfalz, Mainz (G)
2020
Galerie Biesenbach, Köln (online, G)
Kunstraum Potsdam | Konvent der Baukultur 2020, Potsdam (G)
The Grass Is Greener Gallery, Leipzig (G)
2019
Gallery Chaussee 36 Photography, Berlin (G)
Wiesbadener Fototage 2019, Kunsthaus Wiesbaden (G)
Architektursommer Hamburg 2019, Kraftwerk Bille, Hamburg (G)
DAM – Deutsches Architekturmuseum, Frankfurt (G)
2018 The Grass Is Greener Gallery, Leipzig (E)
Kunstraum Potsdam, Potsdam (G)
2017 The Grass Is Greener Gallery, Leipzig (G)
DAM – Deutsches Architekturmuseum, Frankfurt (G)
2016
Galerie Geyso20, Braunschweig (E)
The Grass Is Greener Gallery, Leipzig (G)
2015
The Grass Is Greener Gallery, Leipzig (E)
Pavlov´s Dog Gallery, Berlin (G)
The Grass Is Greener Gallery, Leipzig (G)
2014 Gallery Queen Anne, Leipzig (E)
Museum of Estonian Architecture, Tallinn (G)
Wissenschaftspark, Gelsenkirchen (G)
2013 Gallery Queen Anne, Leipzig (G)
Kunstmuseum Bochum (G)
DAM – Deutsches Architekturmuseum, Frankfurt (G)
2012 Neues Kunstforum, Cologne (G)
The 2nd International Street Photography Award, London Festival of Photography, London (G)
Darmstädter Tage der Fotografie, Darmstadt (G)
2011 Städtische Galerie Bremen (G)
2010 ​Galerie Kulturreich, Hamburg (E)
F/STOP, Leipzig (G)
2009 Galerie der Dechanatstraße, Bremen (E)
Focke Museum, Bremen (G)


Ausgewählte öffentliche und private Sammlungen

  • Art Collection German Factoring Bank
  • Bridges Fotoproject Emscher Future – Art Collection Emschergenossenschaft
  • DAM – Deutsches Architekturmuseum Frankfurt
  • Focke Museum Bremen
  • Städtische Galerie Bremen
  • Universitätsbibliothek Bremen
  • Private Collections in Germany, Italy, Sweden

 

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