Presse-Artikel
Sockel mit Märchenwesen
Galerie Biesenbach zeigt in „Delicate Strength“ Werke von José Gomes, Vittorio Bianchi, Beate Höing
von Hanna Styrie
Die Scherben von Geschirr, Vasen und Nippesfiguren, welche die Künstlerin Beate Höing bei Haushaltsauflösungen und auf dem Flohmarkt ersteht, kommen in ihren skurrilen figürlichen Kleinplastiken zu neuen Ehren. Billig-Kopien chinesischer Vasen, Konfekt- und Zuckerdosen dienen ihr dabei als Sockel für Märchenwesen und mythologische Figuren, die sie aus Bruchstücken aller Art und eigenhändig geformten Figuren zusammenfügt.
Witz und spielerische Leichtigkeit gehen dabei mit einem ausgeprägten Form- und Farbgefühl einher, außerdem balanciert sie gekonnt zwischen Kunst und Kitsch. Unter dem vielsagenden Titel „Delicate Strength" (Zarte Kraft) sind Beate Höings keramische Assemblagen jetzt zusammen mit Werken von José Gomes und Vittorio Bianchi in der Galerie Biesenbach zu sehen.
Hier setzen die detailverliebten, anspielungsreichen Keramiken einen Kontrapunkt zu den überwiegend stillen Werken des Italieners Vittorio Bianchi. Er bearbeitet Stoffe aller Art mit Messer, Skalpell und anderen Werkzeugen, mit denen er die Faser aufreißt und wegschabt. Mit diesen brachialen Eingriffen lässt der Künstler eigene Musterungen von großem Reiz entstehen.
Die auf einen Rahmen gespannten groben Gebilde wiederum sind mit Glasgewebe hinterlegt, sodass der Anschein der Zweidimensionalität entsteht.
Das Verfahren des Skelettierens und Aufrauens wendet er auch bei historischen Gobelinstoffen an. Hier sind die Verletzungen deutlicher sichtbar, zumal er die farbigen Seidenfäden der floralen Dekore hängen lässt.
Hauptthema des gebürtigen Brasilianers José Gomes ist die bedrohte Natur. Seine feinen Zeichnungen bewegen sich im Spannungsfeld von Schöpfung und Zerstörung, Leben und Tod – immer mit Bezug zur brasilianischen Natur und Kultur.
Während eines Residenzprogramms im Botanischen Garten und im Institut für Biologie der Universität Rostock entstand unter dem Eindruck seiner Recherchen, die er dort durchführte, eine Serie komplexer Collagen. Seine Fotografien von Pflanzen, die dem Klimawandel standhalten, ergänzte er durch Tuschzeichnungen.
Zartblaue Flecken weisen auf die in seiner Heimat in Brasilien existierende Grundwasservorkommen hin, die das Ökosystem erhalten. Dem Ringen um den Bestand des ökologischen Gleichgewichts verleiht Gomes hier mit künstlerischen Mitteln subtilen Ausdruck. José Gomes lebt und arbeitet in Köln.