Presse-Artikel
Ausstellung in der Kölner Galerie Biesenbach
Wenn die Farben von der Bildfläche verschwinden
VON ANNIKA KERN
Auf den glänzenden Oberflächen der weißen und schwarzen Wandskulpturen des Künstlers Árpád Forgó (*1972), spiegelt sich das Licht und bringt so subtile Farbnuancen in das Unbunte. Was aussieht wie Kacheln oder Kunststoff, sind tatsächlich bespannte Leinwand-Module. In den Kerbungen schwarzer und weißer Holzblöcke der südkoreanischen Künstlerin Ji Eun Lee (*1984) bilden sich wiederum sanfte Schatten. Und unter die filigranen Zeichnungen brasilianischer Gemüsesorten von José Gomes (*1968) haben sich Konservendosen geschlichen. Damit kritisiert er die Zerstörung des Regenwaldes und Ausbeutung von Arbeitskräften, die der weltweite Vertrieb von Lebensmitteln aus seiner Heimat mit sich zieht.
Es geht um viel mehr als nur Schwarz und Weiß
Was bleibt, wenn man der Kunst jegliche bunte Farbe entzieht? Dieser Frage geht die aktuelle Ausstellung der Galerie Biesenbach, „unbunt“, nach. Werke von neun Künstlerinnen und Künstlern sind zu sehen – jeder und jede bringt seine eigene Interpretation von „unbunt“ mit. Dabei geht es gar nicht so sehr um Schwarz und Weiß, sondern vielmehr um alles dazwischen, um die Graustufen und Nuancen, die entstehen, wenn die Farben von der Bildfläche verschwinden.
Was damit gemeint ist, zeigen die Beiträge der Pariser Künstlerin Catherine Seher (*1958). Auf ihren Bildern verschwimmen Figuren mit der Landschaft, bis sie unkenntlich und anonym werden. Die farblosen Werke wirken, als hätte man ihren bunten Bildern einen Schwarz-Weiß-Filter auferlegt.
„unbunt“ zwingt uns zum genauen Hinsehen
Mit der Verbannung der Farbe, droht das Monochrome auch monoton zu werden. Doch das Unbunte bei Seher verstärkt die Isolation ihrer Figuren. Und so kommt mit dem Farbverlust zugleich eine neue Qualität hinzu. Wo die Farbe zurücktritt, rücken Material, Technik und Form stärker in den Vordergrund. Licht und Schatten gewinnen an Bedeutung. Mit dem Verzicht auf Farbe zwingen uns Künstlerinnen und Künstler genauer hinzusehen, wie die Keramikkünstlerin Beate Höing (*1966) mit „Black Snow“ beweist.
Von weitem wirkt die Wandarbeit wie ein undefinierbares, schwarz glänzendes Etwas. Tritt man näher, so erkennt man darin Blüten und tote Vögel. Ihre Flügel verschwinden zwischen den zahlreichen, spitzen Blütenblättern. Höing spielt mit den Kitsch-Assoziationen von Keramik – sie kombiniert in anderen Arbeiten blau-weiß geblümte Vasen mit kleinen, gefundenen Figürchen. Ohne die Farbe wird das sonst so Ornamentale plötzlich fast abstrakt.
Während Höings tote Vögel durchaus Unbehagen auslösen können, wirken die Arbeiten des japanischen Künstlers Hideaki Yamanobe (*1964) wie ein kunstgewordener Ruhepol. Er verzichtet in seinem gesamten Werk weitgehend auf Farbe und lenkt damit die Aufmerksamkeit auf die Textur seiner Bilder. Für eines der ausgestellten Werke trug er zunächst mehrere Schichten schwarze Farbe auf, dann eine dünne Schicht warmes Weiß. Das kratzte Yamanobe schließlich stellenweise wieder ab – man meint darin, Blumen zu erkennen. An den Rändern ist die Farbschicht am dicksten, sodass sich die Bildfläche dazwischen aufspannt und auf diese Weise fast leer wirkt.
Hideaki Yamanobe: In der Leere liegt seine Kraft
Ein anderes seiner Bilder, „Black Screen Scratches“ hält, was der Titel verspricht: Eine schwarze, quadratische Leinwand, von tiefen Kratzern durchzogen. Doch sieht man genauer hin, stellt man fest, dass das Schwarz diesmal matt ist, fast körnig und an Vulkangestein erinnert. Die Kratzer fügte er dem Bild übrigens mit dem hölzernen Gestell eines japanischen Fächers (Uchiwa) zu. Man kann sie als Verletzung oder Aggression deuten, oder aber als Regenfäden.