Presse-Artikel

Haltestation im bewegten Leben
Japanischer Künstler Hideaki Yamanobe stellt in der Galerie Biesenbach aus.
VON HEIDRUN WIRTH
Immer wieder einmal kehrt der japanische Künstler Hideaki Yamanobe in der Galerie Biesenbach ein, wenn er sein Studio in Köln besucht. Denn der 1964 geborene Künstler ist oft in Tokio und Düsseldorf unterwegs, den beiden Städten, wo er studiert hat. So präsentiert er nun bei Biesenbach zum achten Mal jene zeitlosen Bilder, mit denen dieser 2012 die Galerie eröffnet hatte.
Und wie immer sind diese meist kleineren Formate so etwas wie Haltestationen in einem bewegten Leben, wo Zeit und Ort im Umgang mit Papier, Farbe, Pinsel, Stiften und Leinwand aufgehoben scheinen und die Wirklichkeit unter vielen, vielen Schichten verschwindet. Wobei das Wort Farbe schon ein Viel-zu-viel bezeichnet, denn die feinsten Unterschiede zwischen Elfenbeinhell und Nebelgrau genügen, so wie eine Fülle von Schwarzvarianten.
Was ist es, das da in vielen Schichten entsteht? Manche nennen es bildgewordene Meditation, andere auch Konzentration, bei der es – vom Künstler aus gesehen – keinen Zufall, sondern nur eine gültige Lösung gibt. Doch das werden die Menschen aus dem Okzident vielleicht kaum verstehen, wenn sie die feinen Farbwolken in den „Klangassoziationen“ sehen. Vom Tempelglöckchen bis zum Tsunami.
Das, was alle (verbal vermittelbaren) Grenzen übersteigt, geht aber gut mit dem Klang zusammen. Yamanobe hat die Musik von Helmut Lachenmann für sich entdeckt und er entwarf die Bühnenbilder für Lachenmanns Opern bei den Salzburger Festspielen und ebenso in Tokio.
Während man sich in verschiede- ne Schichten vertiefen kann, spürt man, dass sie jeder aufreizenden Exaltierung entgegenwirken und Ruhe ausstrahlen.
Eine Ruhe, die zum wiederholen- den Betrachten einlädt und dabei die eigene Befindlichkeit und Wahrnehmung verändert.
Und man spürt, der Künstler kennt solche Veränderungen mehr als wir es uns vorstellen können, wenn er von sich preisgibt: „Der Ort, an dem ich geboren wurde, hat sich von einem Tag auf den anderen komplett verändert. Es begann im März 2011, als diese Stadt erst einem großen Erdbeben, einem Tsunami, und dann auch noch der radioaktiven Strahlung des beschädigten Atomkraftwerkes ausgesetzt war... Es heißt, dass sie noch in 300 Jahren kontaminiert sein wird.“ Sein Geburtsort ist Fukushima.
Und jetzt erst wird den Betrachtern in der Galerie die Wucht der Veränderungen klar. Man versteht die schwarzen auf- oder absteigenden Tuschewolken, die dunklen Flecken die auf dem dicken, fast emailleartigen Malgrund lagern, die röntgen- bildartigen Schatten und das vorsichtige Ans-Licht-Dringen von hellen zeichenhaften Strukturen. Man versteht: Die Bilder spielen mit dem, was sichtbar ist und mit dem, was vielleicht noch nicht oder nicht mehr sichtbar ist. Und doch bleiben die Grundspannungen zwischen Helligkeit und Finsternis. Langsam ist der Entstehungsprozess jeden einzelnen Bilder und dadurch wirkt alles kostbar, selbst die (bewusst ausgelösten) Krakelée-Risse der Farbe auf dem Bildgrund. Betrachtet man sie, so sieht man aber auch, dass diese Feinstrisse sich zu einem Bildganzen zusammenfügen.